Schlechte Noten für Noten?!
Fragwürdig: Noten helfen dabei, die Fähigkeiten der Schüler*innen weiterzuentwickeln
Um seine eigenen Fähigkeiten weiterentwickeln zu können, braucht es Motivation. Noten führen jedoch nicht selten in eine Demotivationsspirale. Wahrscheinlich haben Sie das selbst schon erlebt. Bei mir war es definitiv so. Wenn ich eine schlechte Note in einem Fach bekommen haben, dann sank meine Neigung, sich mit diesem Lernstoff noch einmal zu beschäftigen, gegen Null. Und, was vielleicht noch fataler ist - Noten verändern die Motivation an sich. Kinder wollen eigentlich lernen – von Geburt an. Durch die Noten lernen wir jedoch für die Note zu lernen. Und wenn wir das einmal verinnerlicht haben, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Schüler*innen fragen: „Wenn ich das tue – bekomme ich dann auch eine Note?“. Und so kommt Ulrich Hecker gar zu dem Schluss, dass Noten die Entwicklung von Kindern gefährden können, da sie nicht objektiv, ungerecht und unsozial wären (Neues Deutschland vom 30.06.06). Und damit sind wir schon beim nächsten Kriterium:
Fragwürdig: Praxis der Notengebung entspricht unserem Werteverständnis
Eine Frage der Gerechtigkeit. Jonas Lanig hat 2016 bei der Tagung der Leitenden zum Thema „Not(en)-Wende – Die Notwendigkeit von alternativen Formen der Leistungsbewertung“ die folgenden Beispiele aufgeführt.
Kevin
Junge, Unterschichtskind, wiederholt die Klasse, ist korpulent, trägt einen Ohrring.
6 x benachteiligt
Charlotte
Mädchen, Akademikerkind, ohne Ehrenrunde, ist schlank, trägt eine Brille.
6 x bevorzugt
Ich denke, diese Beispiele sprechen für sich.
Noten fördern zudem ein ungutes Vergleichen. Die Lehrkraft gibt die Noten aus und kaum liegen die benoteten Aufgaben auf dem Tisch, wird verglichen. „Ich habe eine Eins und du?“.
Aus christlicher Perspektive haben wir eine von Gott zugesprochene Würde – unabhängig von unserer Leistungsfähigkeit. Wenn Detlef Träbert sagt: „Ständig soll die Schule vergleichen und messen. Dabei sind die Kinder doch unvergleichlich“, dann ist dem doch nur zuzustimmen - oder?
Also Noten einfach abschaffen und gut ist es?
Nein. So einfach ist es nicht. Was wir stattdessen brauchen, ist eine gute Feedbackkultur.
Eine Studie der ForscherInnen Anastasiya A. Lipnevich und Jeffrey K. Smith bringt es für mich sehr gut auf den Punkt:
- „Wer keine Rückmeldung bekam, lernte am langsamsten. Wer weder Noten noch Feedback erhält, wird alleine gelassen. Deswegen sind Noten besser als nichts, besser als gar keine Rückmeldung.
- Wer Noten ohne Feedback erhielt, hat ein wenig besser gelernt.
- Bei Noten und Feedback wurde schon deutlich schneller gelernt.
- Aber wer nur Feedback erhielt, der lernte mit Abstand am meisten. Ja, richtig: Feedback ohne Noten ist besser als Feedback plus Noten“ („Pro und Contra Schulnoten: Machen Noten Kinder erfolgreich oder unglücklich? https://kontrast.at/schulnoten-abschaffen-pro-und-contra/)
Für uns Evangelische Schulen könnte das bedeuten:
Wir setzen uns für eine Feedbackkultur ein, in der Fehler tatsächlich als Lernchance gesehen werden.
- Wir überlegen, wie wir Freiräume für gutes Feedback eröffnen können.
Und das ist noch wichtiger, als darüber zu streiten, ob es Noten braucht oder nicht.
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