Mut wird belohnt

02.05.2022
Schule  Evangelisches Profil  lernen 

von Martina Klein

Was ist mutig? Wer ist mutig? Was gehört zu Mut dazu? Wie gelingt es Evangelischen Schulen Kinder und Jugendliche zu Mut zu befähigen, auch zum "Mut der Verantwortung"? – fragt die Evangelische Schulstiftung in der EKD und lobt den Preis „Sichtbar evangelisch“ aus.  Prämiert werden Projekte, Konzepte, Erfahrungsberichte, Kunstwerke usw., die zeigen, wie an Evangelischen Schulen der „Mut der Verantwortung“ gelebt wird.

Also – Zeit darüber nachzudenken: Wie werden wir mutig? Was bedeutet "Mut der Verantwortung"?

Wie der Zufall manchmal so spielt. Ich habe heute Karl Freller, den 1. Vizepräsidenten des Bayerischen Landtages, kennengelernt. Er ist zugleich Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und so kamen wir ins Gespräch über die KZ-Gedenkstätte Dachau. Es war das erste Konzentrationslager, das ich kennengelernt habe – als Jugendliche mit meiner Schulklasse. Es dürfte die neunte oder zehnte Klasse gewesen sein. Mich hat dieser Besuch damals erschüttert und nachhaltig geprägt. Er hat bei mir viele Fragen hervorgerufen: Wie konnte das passieren? Warum hat keiner was dagegen getan? Es kann doch nicht sein, dass niemand was mitgekriegt hat!

Über den Krieg wurde in meiner Familie immer wieder geredet. Mein Opa war in russischer Gefangenschaft, meine Mutter als Kind mit der Familie geflohen, mein Vater hatte als Jugendlicher mit amerikanischen und französischen Besatzern zu tun. Es waren Lebensgeschichten, die meistens beim Essen erzählt wurden. Der Holocaust und die vielen anderen Gräueltaten der Nazis hingegen waren kaum Thema. Insofern habe ich nach der Exkursion in Dachau meine kritischen Anfragen in die Gespräche am Esstisch eingebracht. Wie konnte das passieren? Warum hat sich keiner gewehrt?

Meine Mutter schenkte mir damals ein Buch über die Geschwister Scholl und wir diskutierten über Mut und Zivilcourage und darüber, welche Verantwortung Christinnen und Christen in solchen Situationen zukommt. Später kamen weitere Biographien und Schriften mutiger Menschen dazu. Dietrich Bonhoeffer, Irena Sendler, Martin Niemöller und andere. "Was würde Jesus dazu sagen?“ Diese Frage war für Martin Niemöller, der als Gefangener im KZ Dachau war, Korrektiv und Leitlinie für seine Entscheidungen. Niemöller war überzeugt: „Das Nichtstun, das Nichtreden, das Nicht-Verantwortlich-Fühlen, das ist die Schuld des Christentums.“ 

Gedenkstätten wie Dachau sind meines Erachtens wichtige Lernorte für Fragen nach Mut und Verantwortung. Überhaupt ist es ein wichtiges Thema, weshalb ich die Aktion der EKD-Schulstiftung sehr begrüße, hierzu gute Beispiele Evangelischer Schulen sichtbar zu machen und zu prämieren. 

Verstehen, was Mut ist

Es gibt viele Arten von Mut und viele Möglichkeiten, Mut zu zeigen. Nachts in die Stadt zu gehen oder sich in einen dunklen Wald zu wagen, erfordert eine andere Art von Mut, als im Unterricht die Hand zu heben und Fragen zu stellen, die eigene Verletzlichkeit zu zeigen oder seine Gedanken mit anderen zu teilen. Es ist eine andere Art von Mut nötig, für einen Menschen in Not einzutreten und Zivilcourage zu zeigen, als eine neue Sportart zu lernen.

Hinzu kommt, dass Mut von außen betrachtet anders aussieht, als er sich anfühlt. Zu sehen, wie jemand eine Heldentat vollbringt und ein Kätzchen von einem Baum rettet, mag von außen glamourös, beeindruckend und selbstbewusst wirken. Dabei kann die Retterin oder der Retter durchaus mit Angst und Selbstzweifeln kämpfen.

Ich denke, dass es den Schüler*innen helfen kann, die Feinheiten von Mut zu erkennen und zu verstehen, wie sich Mut für sie persönlich anfühlt. Und ich denke, dass es eine wichtige Erfahrung ist, wenn sie erkennen, wie sie die Welt verändern können, indem sie mutig sind.

Mutig werden durch Ermutigung

Es ist ganz normal, in schwierigen Situationen ängstlich zu sein und Fehler zu machen. Das gehört zum Mut dazu. So lernen wir. In solchen Momenten brauchen wir manchmal einfach jemanden, der uns ermutigt. Es ist daher wichtig, Kinder und Jugendliche zu ermutigen, sich zu äußern oder sich für ein bestimmtes Anliegen zu engagieren. Schüler*innen mit Lernschwierigkeiten können z.B. ermutigt werden, sich mit anderen in der gleichen Situation zu vernetzen. Wenn wir jungen Menschen Raum geben, ihre Überzeugungen, Gefühle und Erfahrungen mitzuteilen, haben sie eine Gelegenheit, ihren Mut zu testen und eigene Stärke zu entwickeln.

Mutig werden durch offene Fehlerkultur

Da Mut oft nur selbst gefühlt und von anderen nicht gesehen wird, hilft es, wenn Lehrkräfte selbst Mut zeigen und zum Beispiel einen eigenen Fehler offen benennen. Dies hilft Schüler*innen, ebenfalls zu ihren Fehlern zu stehen.

Mutig werden durch Scheitern

Scheitern lernen ist ein weiterer wichtiger Aspekt von Mut. Wenn Schüler*innen weniger Angst vor dem Scheitern haben, werden sie eher bereit sein, neue Dinge auszuprobieren und Dinge ein zweites Mal zu versuchen, nachdem sie gescheitert sind. Oder anders gesagt: Mut bedeutet auch, sich mit seinen Ängsten auseinandersetzen, ansonsten bleibt Mut eine oberflächliche Angelegenheit.

Mutig werden durch Lob und Anerkennung

Mut zeigen muss keine große Angelegenheit sein. Manchmal ist es schon mutig, die Hand zu heben, um eine Frage zu stellen. Mut ist manchmal still, das heißt, am Ende gibt es nicht immer Applaus. Darum ist es wichtig, dass Lehrkräfte bemerken und anerkennen, wenn Schüler*innen Mut zeigen.

Mutig werden durch Vorbilder

Um sich mit Mut im Sinne von Zivilcourage auseinanderzusetzen, ist die Beschäftigung mit mutigen Persönlichkeiten eine gute Möglichkeit. Wenn es gelingt, Zeitzeugen an die Schule zu holen, die authentisch berichten und befragt werden können, ist dies umso besser. Interessant sind  auch Filme, Biographien und Romane. Vorbilder bieten zugleich die Möglichkeit, über Recht und Unrecht nachzudenken und darüber, wie man Gerechtigkeit verfolgen und sich für das Gute einsetzen kann.

Mutig werden durch Handeln

"Mut der Verantwortung" zeigt sich durch Handeln. Wenn Schüler*innen die Erfahrung machen, dass sie anderen beistehen können, die Hilfe brauchen oder wenn sie Ungerechtigkeiten benennen und sich für Gerechtigkeit in der Klasse einsetzen, dann üben sie sich im "Mut der Verantwortung". Es gibt viele Themen, die im Schulalltag aufgegriffen werden können. Aktuell sind es die Themen Krieg und Pandemie, aber auch der Umgang mit Diskriminierung oder Mobbing und vieles andere fordert zum Handeln heraus.

Für mich war damals als Jugendliche klar, dass ich im Dritten Reich niemals geschwiegen hätte. Heute, mit der Erfahrung einer Erwachsenen bin ich mir nicht mehr so sicher, wieviel Mut und Zivilcourage ich unter dieser massiven Bedrohung gehabt hätte. Die Worte Martin Niemöllers sind mir daher eine Mahnung, wachsam zu sein und mit mutigem Handeln nicht zu lange zu warten.

„Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie die Juden holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

(Martin Niemöller)

Informationen zum Förderprogramm „Sichtbar evangelisch 2022“ Der Mut der Verantwortung – Schulen in evangelischer Trägerschaft zeigen Haltung finden Sie hier: https://www.schulstiftung-ekd.de/sichtbar-evangelisch-2022/

Kommentar verfassen

Nach dem Absenden erhalten Sie eine E-Mail mit einem Bestätigungs-Link. Wenn Sie Ihre E-Mail Adresse bestätigt haben, wird der Kommentar an einen Moderator zur Freigabe gesendet. Nach Freigabe ist der Kommentar dann hier sichtbar.


Bitte geben Sie hier die Zahl ein, die im Bild angezeigt wird.

CAPTCHA-Bild zum Spam-Schutz Um eine neue Zahl anzuzeigen bitte hier klicken.

Zurück