Evangelisches Profil ? - Wo Schülerinnen und Schüler ihre Kirche (er-)finden
„Jeder gute Evangelische überlegt mindestens einmal in seinem Leben, ob er aus der Kirche austritt und seine eigene Kirche gründet.“ (Ulrich Barth)
Damals wurde das Zitat von dem Theologen Ulrich Barth bewusst positiv formuliert. Evangelisch sein heißt eben auch: Kritisch nachdenken und in-Frage-stellen. Wer glaubt, das „eine Richtige“ gefunden zu haben, liegt bereits wieder falsch. Unsere Evangelischen Schulen sind das beste Beispiel dafür. Ihre Vielfalt beschreibt die Möglichkeiten von Kirche-Sein. Bei uns an der Löhe-Schule könnte dies z.B. benannt werden durch die große klimapolitische Aktivität der Schüler. Ebenso aber durch die Arbeit der Schülergruppe „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Auch die Aktivität für unsere Nagelkreuzschule darf hier mit hineingerechnet werden.
Kirche im geistlichen Sinne steht nicht still. Sie braucht fortwährende und damit lebenslange und lebendige Bewegung. Das macht Evangelisch-Sein aus. Ein Pluspunkt für Evangelische Schulen.
Zu Recht stöhnen manche Kollegien in den Evangelischen Schulen auf, wenn man sich – wieder einmal – mit dem evangelischen Profil beschäftigt. Instinktiv erkennen sie, dass dieses Profil nicht greifbar und festschreibbar ist, weil Gott selbst lebendig und wandelbar sein will. „Ich werde sein, der ich sein werde.“ (Ex 3,14) lautet eine plausible Übersetzung des Gottesnamen. Gott geht also mit. Gott ringt mit sich selbst. Gottes Liebe lässt sein Handeln lebendig bleiben.
So könnte man also sagen: Gestaltung und wache Zeitzeugenschaft gehören zu einem evangelischen Profil. Hinsehen auf das, was aktuell wichtig ist – den Menschen und seine Fragen und Nöte im Blick behalten und diesen darin begleiten. Es geht nicht um fertige Antworten, sondern um Kritikfähigkeit und das Nachdenken. Es wäre ein Missverständnis, wenn Evangelische Schulen als Kaderschmieden von Systemtreuen mit festen Aussagen angesehen würden. Bildung im besten Sinne steht hingegen für die Befähigung zur kritischen Begleitung.
An der Löhe-Schule ringen wir in einem großen Schulparlament viermal jährlich um die großen Fragen der Ausrichtung, die bei uns nötig ist. Wir hören die Argumente aller Beteiligten und suchen den Kompromiss, der möglichst allen gerecht wird. Schule ist auch ein Ort der Demokratieerziehung.
Wenn ich gefragt werden, woran erkennbar ist, dass unsere Schule evangelisch bzw. christlich sind, dann mache ich es an zwei Ausdrucksformen fest:
Der Glaube ist kein „sanftes Ruhekissen“ (wie es der Volksmund behauptet), sondern er macht den Menschen unruhig, weil der die Not und die Zerrissenheit der Welt erkennt und sich einmischen muss, um Veränderung herbeizuführen. Dies alles ist im besten Sinne (gesellschafts-)politisches Engagement: Arbeit mit Geflüchteten (z.B. mit unseren Schul-buddies, die ehrenamtlich Nachhilfe geben) oder unser Engagement für die jüdisch-christliche Zusammenarbeit (wir führen eine Kooperation mit der IKG in Nürnberg).
Es gibt aber auch die notwendige Versenkung, die erkennen lässt, dass ich mein Leben eben nicht alleine in der Hand habe. Im Gebet bekenne ich, dass ich selber Fehler mache und selber meinen Teil zur Ungerechtigkeit beitrage.
Evangelische Schulen sollten daher Rituale bieten – in Form von Andachten, Morgenimpulsen, feste Gottesdienstzeiten, Andachtsräume usw., um Raum zu schaffen für die nötige „Zweckfreiheit“: Hier darf ich sein, zur Ruhe kommen, einem Impuls nachhängen, Beten oder Singen oder einfach nur Teil einer großen Gemeinschaft sein.
Wo beides geschehen kann: Wache und kritische Zeitzeugenschaft mit Engagement und Aktion in der Sache und ein Innehalten, weil nicht „Ich“ im Vordergrund stehe: Dort findet man Evangelische Schule. Ja sogar: Dort (er-)finden Schülerinnen und Schüler ihre Kirche.
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