NACHGEFRAGT: Martina Klein im Gespräch mit Staatssekretärin Anna Stolz

18.11.2021
Schule  Evangelische Schulstiftung in Bayern  Das Gute entfalten  Bildung 

von Martina Klein

Ich hatte in dieser Woche ein ausführliches Gespräch mit Staatssekretärin Anna Stolz. Wie sie selbst über ihre Schulzeit denkt, was ihre Vision von Bildung ist und welche Rolle aus ihrer Sicht Evangelische Schulen für die Bildungslandschaft in Bayern spielen, können Sie im folgenden Interview lesen.

Martina Klein (MK): Das Motto unserer Evangelischen Schulen in Bayern lautet „Das Gute entfalten“. Wo und wie konnten Sie sich in Ihrer Schulzeit entfalten?

Anna Stolz (AS): Die Schulzeit ist für junge Menschen eine sehr prägende Phase im Leben. In der Schule entwickeln wir uns weiter und lernen uns selbst besser kennen. Wir entdecken Talente, Interessen oder stellen auch einmal fest, was wir vielleicht nicht so mögen. Dabei müssen wir uns immer vor Augen halten, dass Schule ein sozialer Ort ist. Ein Platz, der die ganze Gesellschaft widerspiegelt und an dem es menschelt. Wir alle können uns noch an die eine Lehrerin oder an den einen Lehrer erinnern, die oder der uns in ganz besonderer Weise bewegt hat. Das sind Menschen, die für uns auch Jahre später noch eine besondere Bedeutung haben, von denen wir in jeder Hinsicht gelernt haben und die uns in unserer Erinnerung stets vor Augen bleiben. So ist das auch bei mir. Aber manchmal erkennt man auch erst später, wie wertvoll schulische Erfahrungen waren und wieviel wir tatsächlich für unser späteres Leben gelernt haben. Dafür bin ich meinen ehemaligen Lehrerinnen und Lehrern sehr dankbar.

Und dann sind da natürlich die Mitschülerinnen und Mitschüler. Freundschaften sind entstanden, die bis heute anhalten. Ich freue mich immer wieder, wenn ich zuhause oder auch anderswo auf alte Bekannte aus Schultagen treffe und wir gemeinsam in Erinnerungen an unsere Schulzeit schwelgen. Es war eine schöne und unbeschwerte Zeit, in der wir uns in vielerlei Hinsicht entfalten konnten. Als Kultusstaatssekretärin sehe ich es heute als meine Aufgabe an, diese unbeschwerte Zeit des Erlebens und Entdeckens den jungen Menschen auch weiterhin und auch unter den aktuell schwierigen Rahmenbedingungen zu ermöglichen. Um fürs Leben zu lernen, Erfahrungen zu sammeln und um sich selbst entfalten zu können.

MK: Was ist Ihre Vision von Bildung heute als Staatssekretärin für Unterricht und Kultus?

AS: Die jungen Menschen in Bayern sind die Zukunft. Aufgabe der Schulen ist es, ihnen Wissen und Können, Fertigkeiten und Kompetenzen zu vermitteln. Ganz zentraler Bestandteil ist dabei das differenzierte Schulsystem. Mit seiner hohen Durchlässigkeit können die Schülerinnen und Schüler mit ihren individuellen Anlagen, Interessen und Talenten einen Bildungsweg finden, der ihnen bestmöglich entspricht. Wir wollen die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, um Schule als einen Lern- und Lebensraum zu gestalten, an dem sich alle wohlfühlen. Und, da wären wir schon wieder bei Ihrer ersten Frage: Die Schülerinnen und Schüler in Bayern sollen sich ganzheitlich bilden und entfalten können. Als übergeordnetes Ziel sehe ich es dabei an, für vergleichbar gute Lebens- und Bildungschancen in allen Landesteilen zu sorgen. Dafür arbeiten wir und dafür setze ich mich ein.

In den vergangenen zwei Schuljahren standen unsere Schulen vor ganz neuen Herausforderungen, der Unterricht war mit erheblichen Einschränkungen verbunden und musste phasenweise vollständig auf das Distanzlernen von zuhause aus umgestellt werden. Mir war auch in diesen Phasen wichtig: Wir wollen niemanden aus dem Blick verlieren, auch nicht im Distanzunterricht.

Dafür haben wir viel Geld in die Hand genommen und bieten mittlerweile mehr als 240.000 Schülerleihgeräte an. Einen wesentlichen Beitrag hat auch unser Förderprogramm „gemeinsam.Brücken.bauen“ geleistet, das sowohl schulische als auch außerschulische Förderangebote beinhaltet und auf den zwei gleichberechtigten Säulen „Potentiale erschließen und „Gemeinschaft erleben“ basiert. Es geht also nicht nur darum, Lernrückstände abzubauen – die Schülerinnen und Schüler sollen auch wieder Gemeinschaft erleben und so ihre sozialen Kompetenzen stärken können. Allein in den Sommerferien nahmen bereits mehr als 72.000 Schülerinnen und Schüler an den verschiedenen Angeboten des Förderprogramms teil.

Unser Blick geht nach vorne, die Digitalisierung an unseren Schulen hat einen enormen Schub bekommen und wir möchten Bewährtes zukunftsorientiert weiterentwickeln. Denn zu ganzheitlicher Bildung gehört mehr als die reine Wissensvermittlung. Schule ist auch ein sozialer Ort, ein Ort der Begegnung, des Kennenlernens und der Freundschaften. Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln sich mit hoher Dynamik weiter. Deswegen müssen wir den Schülerinnen und Schülern die notwendigen Kompetenzen für ein lebenslanges Lernen vermitteln. Aus sozialer wie auf fachlicher Ebene. Ein Beispiel ist die individuelle Förderung, die ein wichtiges Leitprinzip der Bildungsarbeit in Bayern ist und in Zukunft noch weiter ausgebaut werden soll. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Heterogenität der Schülerinnen und Schüler müssen wir alle Potenziale entwickeln und die jungen Menschen möglichst passgenau fördern. Auch Inklusion und Integration stellen uns vor Herausforderungen, bieten zugleich aber auch Platz für Innovationen und Chancen für die Zukunft.

Ich sehe uns also für die Zukunft sehr gut aufgestellt, denn nicht zuletzt in den vergangenen zwei Jahren haben wir einmal mehr bewiesen: Gemeinsam schaffen wir so viel, gemeinsam können wir auch einer weltweiten Pandemie an den Schulen standhalten. Und zusammen werden wir unseren Schülerinnen und Schülern auch die Ausbildung ermöglichen, die sie verdienen. Das ist mein Antrieb und unter dieser Vorgabe möchten wir Bildungspolitik gestalten.

MK: Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht Evangelische Schulen für die Bildungslandschaft in Bayern?

AS: Die Evangelischen Schulen sind von der Grundschule über die weiterführenden Schulen und den Internaten bis zu den beruflichen Bildungseinrichtungen eine wertvolle Bereicherung für das bayerische Schulwesen. Sie sind Ausdruck evangelischer Bildungsverantwortung, stehen für besondere Werte ein und haben ihren ganz eigenen Charakter. Eine besondere Rolle kommt ihnen insbesondere schon aus ihrer Historie heraus im Bereich der sozialpädagogischen, der sozialpflegerischen und der Gesundheitsfachberufe mit bayernweit über 60 Schulen zu. In der Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher oder in den Pflegeberufen ist neben einer hohen Fachlichkeit auch immer Orientierung und die Ausbildung von Wertesystemen ein wichtiger Baustein. Durch die christliche Prägung der Evangelischen Schulen werden Menschen nicht nur in modernen Dienstleistungsberufen ausgebildet, sondern erfahren dabei die für Beziehungsprozesse nötigen zentralen Werte. Ganz gleich in welcher Schulart: Die Evangelischen Schulen leisten einen wertvollen Beitrag zur vielfältigen Schullandschaft in Bayern.

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