Corona ist nicht geschlechtsneutral

11.10.2021
Schule  Corona  Kinderrechte  Mädchen 

von Martina Klein

Der 11. Oktober ist Weltmädchentag, ein Aktionstag, an dem auf die Benachteiligung von Mädchen aufmerksam gemacht wird.

Im Bereich der häuslichen und sexualisierten Gewalt trifft die Corona-Krise Mädchen und junge Frauen besonders. Daher bin ich der Meinung, dass wir an unseren Evangelischen Schulen – und nicht nur dort! - einen geschlechtersensiblen Umgang mit den Folgen der Krise brauchen.

Die vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) vorgelegte COSPY-Studie zeigt, dass sich durch die Corona-Krise die Lebensqualität und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen deutlich verschlechtert haben. Auch an unseren Evangelischen Schulen machen sich die Folgen der Krise auf die psychische Gesundheit bei Schüler*innen bemerkbar. Damit hat sich die Fachgruppe Beratungsdienste der Evangelischen Schulstiftung in Bayern befasst. Die Kolleg*innen berichten, dass viele der Schüler*innen psychisch belastet sind und unter Ängsten, Sorgen und Depressionen, aber auch unter psychosomatischen Beschwerden leiden. Dabei wird auch deutlich, dass Mädchen und Jungen ihre Bedürftigkeit unterschiedlich ausdrücken. Während sich Jungen eher körperlich aggressiv und selbstverausgabend verhalten, reagieren Mädchen eher depressiv und mit Selbstverletzung. So ist das Phänomen „Ritzen“ bei Mädchen aktuell wieder häufiger festzustellen.

Vernachlässigung und Gewalt bleiben unbemerkt

In Deutschland schlagen Beratungsstellen Alarm. Zwar ist das Ausmaß der Folgen des Lockdowns noch nicht ganz abzusehen, dennoch wird deutlich, dass Kinder und Jugendliche bis heute darunter leiden, dass sie über einen langen Zeitraum ihre Freund*innen nicht sehen durften, dass sie keine Partys, keinen Sport oder andere Gruppenaktivitäten machen konnten usw. Und das Schlimmste: durch den hohen Druck in den Familien, wurden viele Kinder und Jugendliche vernachlässigt und waren seelischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt. Aufgrund der sozialen Isolation blieb dies vielfach unbemerkt. Die Kinder fanden kaum bzw. keine Ansprechpartner*innen und Hilfe. Untersuchungen zeigen, dass Mädchen und junge Frauen von Gewalt und Missbrauch überproportional betroffen sind.

Mir zeigt dies zweierlei:

  1. Wir können die Folgen der Corona-Krise nicht geschlechtsneutral betrachten, sondern sollten genau hinschauen, wie Jungen und Mädchen, junge Frauen und jungen Männer ihre Verletzungen und Bedürfnisse unterschiedlich zum Ausdruck bringen. Gefühle sind nur schwer zu besprechen, daher drücken sie sich oft im Verhalten aus. Hier brauchen wir einen sensiblen Umgang, Vertrauen und vor allem auch Zeit für die uns anvertrauten jungen Menschen. Gerade Mädchen erscheinen in ihrem Verhalten häufig unauffällig und passen sich dem (Schul-)Alltag eher an. Da wäre es schade, wenn sie mit ihren seelischen Leiden auf der Strecke blieben. Hierfür ist es gut, wenn Lehrer*innen mit Beratungsdiensten eng kooperieren.
  2. Genau hinschauen heißt auch, in der Schule ein Schutzkonzept zur Prävention sexualisierter Gewalt zu haben und dieses auch konsequent anzuwenden. Die Schule nimmt beim Kinderschutz eine wichtige Rolle ein und kann dafür sorgen, dass Kinder und Jugendliche, die sexuelle Übergriffe oder Gewalt erleben, ein kompetentes Gegenüber finden, das ihnen hilft. Schule muss also Schutzort und Kompetenzort sein.

Was können wir im Schulalltag außerdem tun?

Hier möchte ich auf den wunderbaren Artikel von Dr. Edith Wölfl „Lebensfreude nach der Pandemie. Junge Menschen in der Schule seelisch und sozial fit machen für die Zukunft“ hinweisen. Sie schreibt:

„Die Schule bietet den sicheren Rahmen und die Verlässlichkeit, die es möglich machen, sich selbstwirksam zu erleben, Vertrauen in die Gestaltung der eigenen Zukunft zu entwickeln und somit nachhaltig zu lernen. Durch Corona entsteht die Chance, die Schule gerade im Hinblick auf die emotionale und soziale Förderung anhaltend zu verbessern und eine förderliche Schulkultur zu entwickeln.“

Übrigens:

In vielen Ländern haben Mädchen weniger Bildungschancen als Jungen oder sind ganz von Bildung ausgeschlossen. Viele Mädchen müssen schon früh für ihre jüngeren Geschwister sorgen, den Haushalt erledigen oder zum Familieneinkommen beitragen; auch werden viele Mädchen gegen ihren Willen verheiratet und haben keine Chance, ihr Leben selbstbestimmt zu führen. Die Corona-Krise hat die Situation für Mädchen weltweit noch einmal verschärft. Aufgrund der sozialen Isolation ist das Risiko, Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt zu werden, deutlich angestiegen. Auch dies sollten wir am Weltmädchentag nicht vergessen.

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